Zum Thema Süßstoffe gibt es unzählige Meinungen und Erkenntnisse. Für die Einen sind Süßstoffe krebserregend und Auslöser für Hungerattacken. In der Wissenschaft jedoch gibt es für die derartige Behauptungen keine uns bekannten wissenschaftlichen Beweise. Ganz im Gegenteil. Uns liegen Studienergebnisse vor, dass Süßstoffe nicht den Insulinspiegel anheben und auf diese Weise Hunger erzeugen. Auch zur erhöhten Steigerung des Krebsrisikos liegen uns keine wissenschaftliche Beweise vor. Wissenschaftlich sind „Horrormeldungen“ also nicht tragbar.
Doch was ist dran an den Vorurteilen? Wir wissen es nicht genau. Wir gehen aber davon aus, dass durch die Alibifunktion des Süßstoffes vermehrt Kalorien aufgenommen werden. Viele Leute denken, wenn sie eine Cola Light getrunken haben, dann mit ruhigem Gewissen die Tüte Chips essen zu können. Schließlich haben sie ja Kalorien eingespart. Oder sie essen zwei Light-Joghurts. Doch zwei Light-Joghurts haben mehr Kalorien als ein „normaler“ Joghurt usw. usf.
Wer auf Süßstoff aus geschmacklichen Gründen verzichten kann, sollte dies tun. Alle anderen sollten darauf achten nicht in die Alibi-Falle zu tappen.
Der Verzicht auf süße Leckereien fällt schwer. Der Haken ist: Sie sind kalorienreich und daher als Zwischendurchsnack für die schlanke Linie ungeeignet. Hier bieten sich Süßstoffe als kalorienfreie Alternative an. – Sind sie es wirklich? Noch immer halten sich hartnäckig Meinungen, Süßstoffe regten den Appetit an. Andere halten sie sogar für krebserzeugend, Was ist dran an den warnenden Stimmen? Wie äußert sich die Wissenschaft zu diesem Thema?
Gesteigertes Hungergefühl durch Süßstoffe? – Deutsche Studie bringt Aufschluss
ALLEIN DER SÜSSE GESCHMACK auf der Zunge, so die Süßstoff-Kritiker, sorge für eine erhöhte Insulinausschüttung des Körpers. Dadurch sinke der Blutzuckerspiegel mit der bekannten Folge des sich einstellenden Hungergefühls.
Diesem Thema widmete sich 1988 der Psychologe J. E. Blundell in einer Studie. Testpersonen erhielten ein so genanntes preload (wässrige Aspartam1-Lösung und Saccharin2– gesüßten Jogurt) vor der eigentlichen Mahlzeit verabreicht. Die Süßstoffgruppe gab nach der Verabreichung der wässrigen Lösung mit dem Süßstoff Aspartam im Vergleich zur Zucker – Kontrollgruppe an, ein stärkeres Hungergefühl zu verspüren.3,4
*Den Verzehr des mit Saccharin gesüßten Joghurts quittierte die Süßstoffgruppe laut Beobachtungen Blundells mit einer erhöhten Nahrungsaufnahme.5
Blundell vermutete, dass der Organismus, angeregt durch den süßen Geschmack, „reflexartig“ das Hormon Insulin ausschütten würde. Da durch Süßstoffe jedoch kein Zucker geliefert wird, käme es so zu einem Abfall des Blutzuckerspiegels und einem verstärkten Hungergefühl. Diese angeblich ausgelöste so genannte cephalische Insulinsekretion wurde nur vermutet und nicht wissenschaftlich belegt. In einer anderen Arbeit über eine wässrige Aspartam-Lösung konnte Blundell die genannten Effekte nicht bestätigen.6
Zahlreiche u.a. in Deutschland durchgeführte Untersuchungen teilen Blundells ursprüngliche Annahmen nicht. Dr. B. Härtel und Dr. habil. H. J. Graubaum von der Europäischen Gesellschaft für Ökologie und Medizin, Berlin, sowie Prof. Dr. B. Schneider von der Medizinischen Hochschule Hannover testeten 1993 mit 14 gesunden Personen. Die acht Frauen uns sechs Männer im Alter zwischen 19 und 52 Jahren tranken in Wasser gelöste Proben der Süßstoffe Aspartam, Acesulfom, Caclamat, Saccharin sowie eine in Wasser gelöste Probe mit Saccharose (Rohr- oder Rübenzucker). Ihre Studienergenisse zeigen, dass sämtliche an die Testpersonen verbreichten Süßstoffe in einem Beobachtungszeitraum von zwei Stunden keine Veränderungen des Insulinspiegels oder des Blutzuckerspiegels bewirkten (siehe Abbildungen 1 und 2).7 Einzig Zucker (Saccharose) ließ deutliche hungerfördernde Wirkungen erkennen.
Härtel, Graubaum und Schneider äußerten sich auch zu Blundells Beobachtungen. Sie führten ein stärkeres Hungergefühl bzw. eine erhöhte Nahrungsaufnahme schlicht darauf zurück, „…dass zum Teil Süßstoffe in Lebensmitteln und Getränken verabreicht wurden, die ihrerseits für eine cephalische Insulinsekretion verantwortlich sein können.“8 Sprich: Blundell verwendete eventuell zuckerhaltige Lebensmittel und Getränke als „Trägernahrung“.
Fazit: Süßstoffe erzeugen kein Hungergefühl
Ein Hungergefühl kann nach Beobachtung der deutschen Wissenschaftler durch Süßstoffe nicht ausgelöst werden. Mit Ausnahme von Aspartam sowie dem neueren Süßstoff Aspartam-Acesulfam-Salz (je 4 Kalorien pro Gramm) sind Süßstoffe kalorienfrei und somit bestens für alle Personen geeignet, die abnehmen möchten. Im Handel werden Süßstoffe in Form von Tabletten, Flüssigsüße und Streusüße angeboten. Eine Süßstofftablette entspricht einem Teelöffel Zucker und ein Teelöffel Flüssigsüße vier gehäuften Esslöffeln Zucker. Wer zum Beispiel 100 Gramm Zucker durch Süßstoff ersetzt, spart schon 400 Kilokalorien ein!9
Auch Light- und Fitness-Getränke, Energie- und Fitness-Riegel als Alternative zu kalorienreichen Schoko-Riegeln ermöglichen den süßen Genuss. Eine überhöhte Energiezufuhr durch zuckerhaltige Lebensmittel und Softdrinks wird auf diese Weise ausgeschlossen. Somit können Süßstoffe beim Abnehmen durch Kalorieneinsparung und dem Einsatz als Geschmacksmittel helfen.
Positiver Nebeneffekt: Süßstoffe können von Mundbakterien nicht zu zahnschädigenden Säuren vergoren werden.
Vorsicht: Alibi-Falle!
Niemand sollte jedoch glauben, wer Süßstoffe statt Zucker verwendet, habe die Gewichtsabnahme quasi bereits in der Tasche. Nicht wenige Leute holen sich nämlich die beim Süßen eingesparten Kalorien bei anderen Speisen und Getränken. Mit beruhigtem Gewissen lässt sich mitunter besser schlemmen…
Eine dauerhafte Gewichtsreduktion und Gewebestraffung macht eine Umstellung der Lebensgewohnheiten erforderlich. Im Einklang mit einer gesunden Ernährung und sinnvollen Nahrungsergänzungen sollten daher auch sportliche Aktivitäten ins Auge gefasst werden.
1 Süßstoff aus den Aminosäuren Asparginsäure und Phenylalanin mit einer 200 Mal höheren Süßkraft als Haushaltszucker; siehe auch http://www.suessstoff-verband.de/suessstoffe/aspartam2 Erster künstlich hergstellter Süßstoff (1879) mit einer 550 Mal höheren Süßkraft als Haushaltszucker; siehe auch http://www.suessstoff-verband.de/suessstoffe/aspartam
3 Blundell, J. E.; Hill, A. J.: Paradoxical effects of an intense sweeteners (aspartame) on appetite. The Lancet 1 (1986), Seiten 1092 bis 1093
4 Rogers, P. J.; Carlyle, J.; Hill, A. J; Blundell,, J. E.: Uncoupling sweet taste and calories. Comparison of the effects of glucose and three intense sweeteners on hunger and food intake in human subjects. Physiol Be- 11. hav 43 (1989), Seiten 547 bis 552
5 Rogers, P. J.; Blundell, J. E.: Separating the actions of sweetness and colories. Effect of Saccharin and carbohydrates on hunger and food intake in human subjects. Physiol Behav 45 (1989), Seiten 1093 bis 1099
6 Rogers, P. J.; Pleming, H. C; Blundell, J. E.: Asparatame ingested without tasting inhibits hunger and food intake. Physiol Behav 47 (1990), Seiten 1239 bis 1243
7 Härtel B., Graubaum H.-J., Schneider B.; 1993: Einfluss von Süßstoff-Lösungen auf die Insulinsekretion und den Blutglucosespiegel; Ernährungs-Umschau 40, Seiten 152 bis 156
8 Von Börstel, R. W.: Metabolie and physilogic effects of sweeteners. Clin Nutr 4 (1985), Seiten 215 bis 220
Waschbrettbauch mit Krebs bezahlt?
KÖLN. – Um den Verzehr künstlicher Süßstoffe kommt heute kaum einer herum. Viele sind jedoch durch Meldungen über ein erhöhtes Krebsrisiko verunsichert. Ist diese Sorge berechtigt?
DER ERSTE KÜNSTLICHE SÜSSSTOFF war Saccharin, das bereits 1879 synthetisiert und während der Weltkriege eine hohe Verbreitung als Zuckerersatzstoff fand. Doch auch als Zucker keine Mangelware mehr war, hielt sich die Nachfrage nach künstlichen Süßstoffen – jetzt
als Möglichkeit, Kalorien einzusparen. In den 50er-Jahren wurde dann auch das deutlich besser schmeckende Cyclamat eingeführt, und in den 80er-Jahren gesellte sich Aspartam dazu. Von diesen drei älteren Süßstoffen grenzt man die Süßmacher der zweiten Generation ab, zu denen z.B. Acesulfam-K, Sucralose und Alitam gehören. Da auch die neueren Süßstoffe häufig noch einen störenden Beigeschmack haben, werden in den meisten Lebensmitteln Süßstoffkombinationen verwendet.
Was ist nun dran an Meldungen über ein angebliches Krebsrisiko durch Süßstoffe? Das am besten untersuchte Saccharin löst tatsächlich in extrem hohen Dosen bei Ratten Blasenkrebs aus, schreiben Dr. Martin R. Weihrauch und seine Kollegen von der Universität Köln in der Zeitschrift „Medizinische Klinik“.
Kein Zusammenhang zwischen Süßstoff und Hirntumoren
Allerdings reagieren Nagetiere wegen ihrer hohen Urinosmolarität allgemein auf Zufütterung von Natriumsalzen wie Natriumsaccharin mit Neubildungen in der Blase – auch z.B. bei Vitamin C (Natriumascorbat). Blasenkrebs bei Ratten war auch der Grund, warum Cyclamat in den 70er-Jahren in den USA verboten wurde. Nachdem die Kanzerogenität bei Labortieren nicht schlüssig nachgewiesen wurde, erhielt die Substanz allerdings eine erneute Zulassung. Aspartam galt lange Zeit als nicht Krebs erregend, bis 15 Jahre nach der Zulassung eine Veröffentlichung Aufmerksamkeit erregte, die Aspartam mit der seit seiner Einführung zunehmenden Rate an Hirntumoren in Zusammenhang brachte. Was in der Laienpresse viel Aufsehen hervorrief, wurde von der Fachwelt schnell als unwissenschaftlich disqualifiziert. Genauso gut hätte man die steigende Rate an Hirntumoren mit der zunehmenden Verbreitung von Videorecordern oder dem Ozonloch in Verbindung bringen können, meinten die Kritiker. In Fallkontrollstudien wurde ein erhöhtes Hirntumor-Risiko durch Aspartamverzehr nicht bestätigt. Die Süßstoffe der zweiten Generation sind bisher noch nicht mit einem Krebsrisiko in Zusammenhang gebracht worden.
Was sagen epidemiologische Studien?
Alle größeren Studien untersuchen den Süßstoffgebrauch allgemein und nicht die Einzelsubstanzen. Die aktuellste Fallkontrollstudie umfasst 1860 Patienten mit Blasenkrebs und 3934 Kontrollpersonen. Tatsächlich fand man hier ein leicht erhöhtes relatives Risiko von 1,3 bei hohem Süßstoffgebrauch (> 1,68 Gramm pro Tag). In der gleichen Größenordnung erhöhte jedoch auch der Genuss von mehr als 50 Tassen Kaffee pro Woche und ein bis zwei Harnwegsinfekte in der Anamnese das Blasenkrebsrisiko.